Kriegsbild im Umbruch – Drohnenkrieg –RK WEST am 26.02.2024

Am 26. Februar fand im Tagungszentrum Hardthöhe des BMVg in Bonn die erste Veranstaltung des Regionalkreises WEST der Clausewitz-Gesellschaft im Jahr 2024 statt. Oberstleutnant Michael Karl vom German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) trug vor zum Thema:

Drohnentechnik – Drohnenkriegführung – Drohnenabwehr

Der Referent des Abends ist seit 2020 Lehrstabsoffizier an der Führungsakademie der Bundeswehr, wissenschaftlicher Referent beim GIDS sowie Leiter des Wissenschaftsmanagements des Direktorats für strategische Studien und Forschung (DFFS). Oberstleutnant Karl gilt als ausgewiesener Kenner der Materie und ist demzufolge in den Medien wie auch in der Politikberatung ein gefragter Experte. Die Aktualität des Themas aufgrund der aktuellen Drohneneinsätze in der Ukraine, im Gaza-Krieg und durch jemenitische Kräfte im Roten Meer veranlasste erfreulicherweise viele Mitglieder der Clausewitz-Gesellschaft bzw. Gäste der Veranstaltung beizuwohnen.

So wie Drohnen mittlerweile in der alltäglichen Nutzung bei Transportaufgaben, Signalübertagung oder Bildgewinnung immer häufiger in Erscheinung treten, haben sie auch im Bereich militärischer Anwendungen sehr schnell große Bedeutung gewonnen. Das Fähigkeitsprofil verschiedener Drohnenklassen erstreckt sich von der Aufklärung in Echtzeit über lang andauernde Gefechtsfeldüberwachung bis zum präzisen Angriff auf Einzelpersonen, Truppenansammlungen oder mobile gepanzerte Fahrzeuge bzw. auf hoher See befindliche Schiffe.

In der Drohnentechnik sieht man seit einiger Zeit eine Steigerung der Autonomie, vermehrte Miniaturisierung und Modularisierung entlang des gesamten Wirkungsspektrums von Drohnen, verbesserte Sensortechnologien sowie eine Vernetzung zur Schwarmintelligenz. Mit anderen Worten: Eine neue Generation kleiner, sehr agiler und wirkmächtiger Drohnen ist auf dem Vormarsch.

Somit sind heutige Drohnen weit mehr als unbemannte Luftfahrzeuge, wie sie die CIA zur politisch in Deutschland höchst umstrittenen exterritorialen Liquidierung von Terroristen nutzt. Sie sind zum festen Bestandteil der Waffenarsenale vieler Staaten, aber auch terroristischer Akteure geworden. Als vergleichsweise günstige Massenprodukte mit präziser Waffenwirkung verändern Drohnen auf nahezu radikale Art und Weise das bisherige Bild konventioneller Kriege. Im Kampf erreichen sie Ziele, die mit herkömmlichen Mitteln, wie Artillerie oder Bomben, kaum zu bekämpfen sind. Bislang gut geschützte Unterstände oder Gebäude sind keine Räume erhöhter Sicherheit mehr.

Diesen Vorteilen im offensiven Kampf stehen andererseits erhebliche Schwierigkeiten in der Abwehr von Drohnen gegenüber. Sie besitzen eine sehr geringe Radarsignatur, können für ihre Annäherung bestens Geländesignaturen ausnutzen und lassen sich mit Hilfe künstlicher Intelligenz massenhaft simultan im Gefecht zur Wirkung bringen. Oft sind teure Abwehrmittel, wie Luftabwehrraketen, das einzige Mittel der Wahl, um Truppen oder kritische Infrastruktur zu schützen. Dabei stoßen die örtlich stets begrenzt verfügbaren Flugabwehrsysteme bei Schwarmangriffen schnell an ihre technische Sättigungsgrenze. Eigene Luftüberlegenheit oder gar Lufthoheit sind somit mehr denn je gefährdet. Ähnliche Entwicklungen wie in der Luftkriegführung zeichnen sich inzwischen auch beim Seekrieg ab. Was das für die Gesamtkriegführung bedeutet, lässt sich leicht ausmalen.

Der laufende Ukraine-Krieg zeigt geradezu exemplarisch auf, wie in konventionellen Kriegen zwischen technologisch ebenbürtigen Kontrahenten Drohnen das Kriegsbild verändern. Permanente Gefechtsfeldüberwachung hoher Transparenz, eine fast verzugslose Verknüpfung von Aufklärung und Wirkung sowie die Befähigung selbst Punktziele mit enormer und skalierbarer Präzision zu bekämpfen geben Drohnen die Qualität eines „Game-Changer“. Die Dimension Luftraum ist ebenso wie die des Meeresraumes analytisch neu zu vermessen, was offensiv wie defensiv Befähigungen neuer Qualität erfordert. In jedem Monat werden von beiden Kriegsparteien in der Ukraine mehr als 10.000 Drohnen, welche größtenteils fliegende Wegwerfprodukte sind, rund um die Uhr zum Einsatz gebracht.

Die vor Kurzem bei der Bundeswehr ins Leben gerufene Task Force zur Nutzung von Kleindrohnen bzw. die laufende Entwicklung einer EURO-Drohne können folglich nur erste Antworten auf diese Entwicklung sein. Weitere Maßnahmen in materiellen, doktrinären und organisatorischen Bereichen sind nach dem von Oberstleutnant Karl skizzierten Lagebild dringend geboten.

Dem Vortrag folgten eine lebhafte Diskussion sowie angeregte bilaterale Gespräche, die den Veranstaltungsteilnehmern nachdrücklich verdeutlichten, dass die Ausrüstung mit leistungsfähigen Drohnen im gesamten Wirkungsspektrum als auch verbesserte Fähigkeiten zu deren sicherer Abwehr von hoher Dringlichkeit sind, wenn man die deutschen Streitkräfte glaubhaft zur Landes- und Bündnisverteidigung befähigen will. 

 

Hans-Joachim Schubert
Generalleutnant a.D. und Leitender der Vortragsveranstaltung

Bild: Quelle Stabshauptmann a.D. Thielert, Clausewitz-Gesellschaft e.V. – Regionalkreis West.