Finnland zwischen Skylla und Charybdis: Marschall Carl Gustaf Mannerheim und die Kunst des Möglichen – RK Nord am 17.09.2024

Am 17. September 2024 trug Prof. Wegner vor dem RK Nord und zahlreichen Gästen über den finnischen Marschall Carl Gustav Mannerheim (1867 – 1951) vor.

Mannerheim war in drei Kriegen finnischer Oberbefehlshaber und in zwei für Finnland existentiellen Krisen gewähltes Staatsoberhaupt. Ihm gelang es, Finnlands Freiheit und Unabhängigkeit als demokratischer Staat sowohl gegenüber dem Deutschen Reich als auch der Sowjetunion zu bewahren.

Dabei bewies er einen nüchternen Blick für die Realitäten, große Entschluss-freudigkeit und einen ausgeprägten Sinn für die Kunst des jeweils Möglichen. Seine herausragenden Leistungen sowohl als Feldherr wie als Staatsmann machen ihn zur prägendsten Persönlichkeit Finnlands in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Wer wäre besser geeignet, über diese Persönlichkeit und seinen bewegten Lebensweg vorzutragen als der Historiker Prof. Dr. Bernd Wegner: nach 15 Jahren im Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg wurde er 1997 an die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte und publizierte. Er gilt als Finnlandkenner und -liebhaber.

Mannerheim wurde 1867 in Finnland, damals Teil des russischen Reiches, geboren. Nach dem Abitur trat er in die russische Armee ein und machte in der Gardekavallerie rasch Karriere. 1905 wurde er im Russisch-Japanischen Krieg  wegen herausragender Leistungen mit 38 Jahren zum Oberst befördert.

1906 erkundete er während eines zweijährigen Rittes über 6.000 km von Samarkand bis Peking die bis dahin unerforschten Gebiete an der russisch-chinesischen Grenze. Während des I. Weltkrieges stieg er bis zum Kommandierenden General auf. Nach der russischen Revolution 1917 wegen politischer Unzuverlässigkeit verabschiedet, kehrte er nach Finnland zurück, das damals gerade seine Unabhängigkeit erklärt hatte.

Als einziger hoher General finnischer Herkunft erhielt er im Januar 1918 von der demokratisch gewählten finnischen Regierung den Oberbefehl über die noch im Entstehen begriffene Armee des Landes. Im Bürgerkrieg im Frühjahr 1918 besiegten die bürgerlichen „Weißen“ die aufständischen „Roten“. Unmittelbar nach diesem Sieg verließ Mannerheim Finnland aber wieder, weil er die ausgeprägt prodeutsche Einstellung der finnischen Regierung nicht teilte. Nach der Niederlage Deutschlands wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt und erreichte in Versailles die internationale Anerkennung des unabhängigen Finnlands. Nach einer Wahlniederlage zog er sich 1919 ins Privatleben zurück. Finnland blieb bis zum sowjetischen Überfall 1939, dem ‚Winterkrieg‘, ein durch den Bürgerkrieg und die damit verbundenen Gräuel tief gespaltenes Land.

Im ‚Winterkrieg‘ 1939/1940 führte Mannerheim die finnische Armee als Oberbefehlshaber, nachdem er zuvor Zugeständnisse an die UdSSR befürwortet hatte. Dieser sowjetische Überfall einte das bis dahin immer noch politisch gespaltene Land. Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion 1941 führte er im ‚Fortsetzungskrieg‘ erneut die finnischen Truppen, war aber immer bemüht, die Sowjetunion und die Alliierten nicht allzu sehr zu provozieren – unter anderem weigerte er sich, finnische Truppen zur Belagerung von Leningrad zu entsenden und die Bahnlinie zum Nordmeerhafen Murmansk anzugreifen.

An seinem 75. Geburtstag besuchte Hitler Mannerheim in dessen Hauptquartier in Finnland. 2 Jahre später wurde der 77-jährige Mannerheim zum Präsidenten der Republik Finnland gewählt. Nach einer erfolgreichen Abwehrschlacht gegen die Rote Armee, dem größten militärischen Sieg Finnlands in diesem Krieg, brach  Mannerheim Ende August 1944 die Beziehungen zum Deutschen Reich ab und schloss einen Waffenstillstand mit der Sowjetunion. Die Friedensbedingungen waren hart (u.a. Abtretung von Karelien und Petsamo etc.), aber Finnland blieb unbesetzt und bewahrte seine staatliche Unabhängigkeit als westlich geprägte Demokratie mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung – eine einzigartige Leistung, verglichen mit dem Schicksal Polens, Rumäniens, Bulgariens, der Tschechoslowakei oder gar dem Baltikum.

Mannerheim blieb Staatsoberhaupt bis zum Jahr 1946, als er aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Mannerheim in der Schweiz, wo er seine Memoiren schrieb. Er starb 1951 und wurde mit militärischen Ehren in Helsinki beigesetzt.

Mannerheim wurde von Churchill wie von Hitler gleichermaßen bewundert und von Stalin – zumindest zähneknirschend – respektiert.

In seinem eindrucksvoll Vortrag und der sich anschließenden Diskussion schilderte Prof. Dr. Wegner den bewegten und vielschichtigen Lebenslauf von Mannerheim. Dabei verdeutlichte er, warum Mannerheim in seinem Heimatland bis heute als Nationalheld verehrt wird und warum der einstige zaristische Gardeoffizier entgegen aller Wahrscheinlichkeit der – laut Meinungsumfragen – „größte Finne aller Zeiten“ werden konnte.

Nach der Diskussion klang die Veranstaltung wie üblich nach einem gemeinsamen Abendessen vom Büffet und Einzelgesprächen in lockerer Runde aus.

Dr. Hans-Peter Diller
Oberstarzt a.D. und Leiter Regionalkreis Nord

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bilder: Quelle SB d.R. Tiburski, Clausewitz-Gesellschaft e.V.; Quelle Prof. Dr. Wegner