RK WEST: Erfahrungen und Erkenntnisse aus der ISAF Folgeoperation RESOLUTE SUPPORT
Bericht von der gemeinsamen Vortragsveranstaltung des Regionalkreises West und der Sektion Köln/Bonn der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik am 26.10.2015 mit Generalleutnant Carsten Jacobson zum Thema „Erfahrungen und Erkenntnisse aus der ISAF Folgeoperation RESOLUTE SUPPORT “
Angesichts der jüngsten Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan, die in der zeitweisen Eroberung der Provinzhauptstadt Kundus ihren vorläufigen Höhepunkt fand, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der laufenden NATO-Operation „Resolute Support“, mit der die Ausbildung und der Einsatz der afghanischen Sicherheitskräfte unterstützt werden sollen, nachdem der Kampfauftrag für die alliierten Kräfte Ende des vergangenen Jahres beendet wurde. Darüber hinaus kommen natürlich Zweifel auf, ob die neue Administration nach der schwierigen Regierungsbildung über die erforderliche Autorität und Kompetenz verfügt, zumindest mittel- und langfristig stabile Verhältnisse und eine angemessene wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu gewährleisten.
Generalleutnant Jacobson, Kommandeur Einsatz und Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres, der bis Juli 2015 Deputy Com ISAF/Resolute Support in Kabul war und die afghanischen Verhältnisse wie kaum ein Zweiter beurteilen kann, zeigte zunächst die Entwicklung in Afghanistan seit 2001 auf und stellte heraus, welche Fortschritte das Land bis heute in vielen Bereichen erzielt hat. Die Unterstützung für einen gezielten Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte habe allerdings angesichts des dafür erforderlichen Zeitansatzes zu spät eingesetzt und sei anfangs nicht intensiv genug betrieben worden. Die afghanischen Streitkräfte hätten zwar inzwischen in etlichen Bereichen ein befriedigendes Niveau erreicht, bedürften aber dennoch der weiteren Unterstützung. Während der infanteristische Kampf gut beherrscht werde, könne man davon bei komplexen Operationen hinsichtlich der Planung und Durchführung des Gefechtes der verbundenen Waffen inklusive der Logistik und Durchhaltefähigkeit noch nicht reden. Daher käme eine Beendigung der NATO-Operation „Resolute Support“ im Jahr 2016 seines Erachtens zu früh.
Das differenzierte Bild der politischen und gesellschaftlichen Situation in Afghanistan, das Jacobson über die rein militärischen Aspekte hinaus zeichnete, machte deutlich, dass eine positive Entwicklung des Landes ohne weitere Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft, einschließlich der Kostenübernahme für den Unterhalt der einheimischen Sicherheitskräfte, kaum denkbar ist. Nur mit einer solchen Perspektive werde man im Übrigen viele junge Afghanen davon überzeugen können, ihre Zukunft im eigenen Land und nicht in Europa, insbesondere auch in Deutschland zu suchen.
In der ausführlichen Aussprache ging Jacobson auch auf die Auswirkungen der veränderten sicherheitspolitischen Lage auf das Heer ein. Er stellte die vielfältigen Ansätze dar, die z.Z. im Heer im Hinblick auf die Umsetzung der Beschlüsse des NATO-Gipfels in Wales vom September 2014 verfolgt werden. Dabei unterschlug er nicht die Defizite im Bereich der Bündnisverteidigung, die im Laufe des letzten Jahrzehnts durch die Fokussierung auf den Afghanistan-Einsatz entstanden sind. Abschließend stellte er kurz dar, welche Anstrengungen das Deutsche Heer zur Unterstützung der zuständigen Behörden bei der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise unternimmt.
Oberst a.D. Josef Schuler, der die Veranstaltung organisiert hatte, und Generalleutnant a.D. Jürgen Ruwe konnten Generalleutnant Carsten Jacobson für einen hochinformativen Vortrag und eine ausführliche und thematisch weitgespannte Aussprache danken, die sich durch ein ungewöhnliches Maß an Klarheit auszeichneten.
Viele Teilnehmer, die noch nicht im Posttower zu Gast waren, nutzten im Anschluss an diese Veranstaltung das freundliche Angebot der Deutschen Post AG, an einer Führung durch dieses architektonisch so interessante Gebäude teilzunehmen.
Generalleutnant a.D. Jürgen Ruwe