“Aktuelles aus dem BMVg” mit Staatssekretär Benedikt Zimmer – RK WEST am 2. 10. 2019
Das Geschehen im Bundesministerium der Verteidigung wurde in den letzten Monaten nicht nur durch den unvorhergesehenen Wechsel an der Spitze des Hauses geprägt, sondern auch durch eine bedeutende Richtungsentscheidung im Rüstungsbereich. Weitere wichtige Entscheidungen stehen in naher Zukunft heran. So erwies es sich im Nachhinein als ein Glücksfall, dass die seit längerem geplante Vortragsveranstaltung mit Staatssekretär Benedikt Zimmer, der im BMVg zuständig für die Bereiche Ausrüstung, Cyber & Informationstechnik sowie Planung ist, just zu diesem Zeitpunkt stattfinden konnte. Sie traf im Regionalkreis WEST, wie bereits aus der Zusammensetzung des Auditoriums zu erkennen war, auf großes Interesse.
Staatssekretär Zimmer leitete seinen Vortrag mit einem sicherheitspolitischen Überblick ein. Er beleuchtete dabei den bekannten geographischen Krisenbogen (von Mali, der Sahel-Zone über Syrien bis Afghanistan), Russland als Unruhefaktor in Europa sowie das Großmachtstreben Chinas. In diesem Kontext sei die vielfach bekundete Bereitschaft Deutschlands zur Übernahme von Verantwortung zu sehen. Dazu bedürfe es selbstverständlich einsatzbereiter Streitkräfte und einer für deren Aufgaben angemessenen Finanzausstattung.
Anhand der Ausgestaltung des deutschen Beitrags zur NATO Response Force im Rahmen der VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) 2023 zeigte er unter den Stichworten Führung, Fähigkeiten und Digitalisierung auf, wie Deutschland den gesteigerten Anforderungen gerecht werden will. Auch die im Juli des vergangenen Jahres vereinbarte NATO Readiness Initiative (NRI) werde zusätzliche Anstrengungen auch von der Bundeswehr erfordern. Sie habe das Ziel, insgesamt 30 Bataillone, 30 Geschwader und 30 Kampfschiffe innerhalb von 30 Tagen einsatzbereit zur Verfügung zu haben (sog. „4 x 30“). Beide Programme (NRF und NRI) würden voraussichtlich in einigen Jahren zu einer adapted NATO Response Force (aNRF) zusammengeführt. Dabei seien die Streitkräfte nicht nur im materiellen, sondern auch im personellen Bereich mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Aufgrund der Beteiligung der Bundeswehr an der VJTF 2023 im Umfang von ca. 15.000 Soldaten und der laufenden Auslandseinsätze seien ständig ca. 40.000 Soldaten durch Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen, bzw. deren Vor- und Nachbereitung, gebunden.
Bei der Digitalisierung der Streitkräfte – so Staatssekretär Zimmer – beschreite man inzwischen mit dem streitkräfteübergreifenden Versuchsverband Munster erfolgreich neue Wege, um für die erforderlichen Beschaffungen der besonders hohen Innovationsrate in diesem Bereich gerecht zu werden. Probleme gebe es nach wie vor bei der Beschaffung von Ersatzteilen und der erforderlichen Aufstockung von Munitionsbeständen. In beiden Bereichen habe man seit vielen Jahren aufgrund mangelnder Finanzmittel aus der Substanz gelebt. Da sich die Industrieproduktion nicht auf Knopfdruck hochfahren lasse, werde es ohne Zweifel einige Zeit in Anspruch nehmen, die bestehenden Defizite zu beseitigen.
Was bereits aktuell im materiellen Bereich geschieht, zeigte Staatssekretär Zimmer anhand des Zulaufs von neuem Gerät im Jahr 2019 auf. Dabei nannte er u.a. die Zulaufzahlen für den Brückenpanzer GFB Leguan, den NH 90, den GTK Boxer, den Transportpanzers Fuchs sowie für ungeschützte Transportfahrzeuge und Bildverstärkerbrillen. Nachdrücklich betonte er, dass die Einsatzlage der Bundeswehr bei weitem nicht so dramatisch sei wie in den Medien dargestellt. Die jüngsten Berichte etwa über fehlende Kampfschuhe gingen komplett an der Sache vorbei. Bei deren Neubeschaffung gebe es keinerlei Verzögerungen. Die Ausstattung der Truppe mit dem Kampfanzug KBS SK, Schutzwesten MOBAST, neuen Gefechtshelmen sowie neuer Sprechsätze mit Gehörschutz stellte Staatssekretär Zimmer mithilfe eines Schaubildes in Jahresschritten dar. Insgesamt investiere man 5 bis 6 Mrd. € in Bekleidung.
Mit Blick auf das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr, mit dem sich der Regionalkreises WEST bereits in früheren Veranstaltungen befasst hatte, stellte er den schrittweisen Ansatz dar, in dem die Streitkräfte bis zum Jahr 2032 die Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung in vollem Umfang wiedererlangen sollen. Abschließend ging Staatssekretär Zimmer auf einige wichtige nationale, bi- und multinationale Rüstungsprojekte ein.
Dem hochinformativen und sehr anschaulich dargebotenen Vortrag schloss sich eine intensive Aussprache mit einem breiten Themenspektrum an. Das umfasste Fragen zur angemessenen mittel- und langfristigen Finanzausstattung, zur Beschaffungsorganisation, zur Zusammenarbeit mit der Rüstungsindustrie, zu einer gemeinsamen europäischen Rüstungsexportpolitik, zum Vergaberecht, zu Projekten der europäischen Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik, zu einzelnen noch offenen Rüstungsprojekten bis hin zu Überlegungen, wie die Notwendigkeit von Verteidigungsanstrengungen über die Medien für breitere Bevölkerungsschichten verständlicher vermittelt werden könne.
Staatssekretär Zimmer erwies sich in der Aussprache nicht nur als ein hochkompetenter, auch in Detailfragen versierter Fachmann, sondern vermochte es auch in überzeugender Weise, die behandelten Themen in die jeweiligen sachlichen und politischen Zusammenhänge einzuordnen. Der Vortragsabend war für alle Teilnehmer ein besonderes Erlebnis und ein Highlight im Jahresprogramm des Regionalkreises WEST.
Generalleutnant a.D. Jürgen Ruwe