Bericht zum 12. Clausewitz-Strategiegespräch am 18.04.2018 in Berlin

Weder Wundermittel noch Damoklesschwert?

Welche Bedeutung hat Autonomie von Waffensystemen heute und zukünftig?

Für die einen fast ein Wundermittel, für die anderen eher eine Horrorvorstellung. Auf die Brisanz der Thematik „Autonomie in Waffensystemen (AWS)“ wies der stellvertretende Leiter der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund in Berlin, Ministerialrat Henning Baumeister, bereits in seinen Begrüßungsworten zum 12. Clausewitz-Strategiegespräch sehr deutlich hin.

Spektrum technischer und operationeller Fähigkeiten automatisierter oder gar autonomer Systeme

Das breite Spektrum technischer und operationeller Fähigkeiten automatisierter oder gar autonomer Systeme skizzierte Dr. Frank Sauer wort- und bildreich in dem ersten Impulsvortrag. In den Räumen der Landesvertretung verfolgten die zahlreich erschienenen Teilnehmer gespannt die Präsentation des jungen Politikwissenschaftlers von der Universität der Bundeswehr München. Der inzwischen auch durch etliche Fernsehauftritte bekannte Referent zeigte anhand eingängiger Beispiele wesentliche Merkmale der bereits erreichten und künftig absehbaren „Autonomie von Waffensystemen“ auf. Dabei unterstrich er die nahezu ungeheure Beschleunigung der Entscheidungsabläufe durch die Nutzung von Systemen mit hohem Autonomiegrad. Sein Vortrag gipfelte in einem dringenden Handlungsaufruf zur intensiveren und differenzierteren Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Risiken dieser Technologie. Die Digitalisierung treibt diese Entwicklung, die mit hoher Dynamik versehen ist. Sauer mahnte zudem an, dass eine wirkungsvolle menschliche Kontrolle von Waffensystemen mit autonomen Fähigkeiten unbedingt bewahrt werden müsse.

Ausgewählte Punkten der aktuellen Diskussion zu AWS

Professor Dr. Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) referierte anschließend zu ausgewählten Punkten der aktuellen Diskussion. Breiten Raum nahmen in seinen Ausführungen die Konsequenzen von AWS für die Sicherheitspolitik und Strategie ein. Dabei stellte er die zu erwartenden Einsatzformen in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Dementsprechend ging er u.a. auf folgende Punkte ein: Veränderung der Kriegführung, Technologische Risiken, unkontrollierte Weiterverbreitung, Rüstungsdynamiken, destabilisierende Wirkung in Krisen und Auswirkungen auf regionale oder strategische Stabilität. Außerdem beleuchtete er konkrete Lösungsansätze zur Eingrenzung und Kontrolle von AWS und stellte beispielhaft einige markante Probleme vor, wie Verifikation des Autonomiegrades von Systemen, Realisierung menschlicher Kontrolle ohne Verlust wesentlicher Einsatzfähigkeiten und Einbeziehung in Rüstungskontroll- sowie Rüstungsexportregime.

Aktuelle Lage zur Planung, Einführung und Nutzung automatisierter sowie autonomer Systeme für die Bundeswehr

Der für die Zukunftsentwicklung und strategische Steuerung der Planung im Bundesministerium der Verteidigung zuständige Unterabteilungsleiter, Brigadegeneral Gerald Funke, erläuterte die aktuelle Lage zur Planung, Einführung und Nutzung automatisierter sowie autonomer Systeme für die Bundeswehr. Seiner Auffassung nach sind die vorhandenen und absehbaren Systeme weder Wundermittel noch Damoklesschwert. Sehr deutlich unterstrich er, dass vor allem die für Autonomie von Systemen höchst relevante Technologie der „Künstlichen Intelligenz (KI)“ helfen kann, Menschenleben von Nicht-Beteiligten zu schonen, eigene Verluste zu minimieren, rechtswidriges Verhalten auszuschließen, Einsatzregeln („Rules of Engagement (ROE“) einzuhalten und die Durchsetzungs- sowie Durchhaltefähigkeit zu erhöhen. Seine Ausführungen enthielten ebenfalls ein klares Plädoyer gegen den Einsatz von sogenannten „Killer-Robotern“.

Aussprache

Der Moderator des Abends, Generalleutnant a.D. Kurt Herrmann, Präsident der Clausewitz-Gesellschaft e.V., stellte die Aussprache unter die Grundfragen:

  • Welche strategischen-operativen Möglichkeiten und Vorteile bieten autonome Waffensysteme bereits heute und vor allem zukünftig?
  • Welche Risiken gilt es zu beherrschen?
  • Welche Risiken können überhaupt beherrscht werden?
  • Welche fundamental rechtlichen bzw. völkerrechtlichen, ethischen und sicherheitspolitischen Fragen müssen in Verbindung mit autonomen Waffensystemen behandelt werden?
  • Welche nationalen und internationalen Positionen müssen dabei bedacht oder in Einklang gebracht werden?
  • Welche Chancen bestehen für die Einbeziehung von autonomen Waffensystemen in Rüstungskontroll- und Abrüstungsregime?

Diskussion

In der lebhaften Diskussion wurden etliche der in den Fragen skizzierten Aspekte und Fakten vertiefend erörtert. Angesichts der Breite und Tiefe des Themenspektrums konnten natürlich nicht alle Fragen hinreichend erschöpfend behandelt werden. In seinen Schlussworten wies Herrmann deshalb auch auf die anstehende 52. Sicherheitspolitische Informationstagung der Clausewitz-Gesellschaft mit und an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg hin. Vom 22. bis 24. August 2018 sollen unter dem Generalthema „Strategie im 21. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung moderner technologischer Entwicklungen: Welche Herausforderungen stellen künstliche Intelligenz und autonome Systeme an Politik, Gesellschaft und Streitkräfte?“ etliche der im Strategiegespräch lediglich angerissenen Punkte vertiefend erörtert werden.

Abschluss

Herrmann schloss mit einem besonderen Dank an die Panellisten, die beiden Kooperationspartner, Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V. und Landesvertretung Sachsen-Anhalt, und an die aufmerksamen Teilnehmer, die trotz des bereits laufendenden Halbfinalspiels im Deutschen Fußballpokal, geduldig ausgeharrt hatten. Viele von ihnen nutzten dann auch noch den anschließenden Empfang, der wieder von der Landesvertretung in bewährter Form gegeben wurde, zur Fortsetzung angeregter Diskussionen in kleineren Zirkeln.

KH

Der Stellvertretende Leiter der Landesvertretung Sachsen-Anhalt, Ministerialrat Henning Baumeister, begrüßt die Teilnehmer des 12. Clausewitz-Strategiegesprächs

Der Stellvertretende Leiter der Landesvertretung Sachsen-Anhalt, Ministerialrat Henning Baumeister, begrüßt die Teilnehmer des 12. Clausewitz-Strategiegesprächs

Der Moderator des Gesprächs, Generalleutnant a.D. Herrmann, führt in die Thematik ein

Der Moderator des Gesprächs, Generalleutnant a.D. Herrmann, führt in die Thematik ein

Dr. Frank Sauer spricht zum Thema „Autonomie von Waffensystemen: Ein Quantensprung militärisch-technischer Fähigkeiten?

Dr. Frank Sauer spricht zum Thema „Autonomie von Waffensystemen: Ein Quantensprung militärisch-technischer Fähigkeiten?

Diskussion mit dem Auditorium; das Panel: Dr. Frank Sauer, Prof. Dr. Götz Neuneck, Generalleutnant a.D. Kurt Herrmann und Brigadegeneral Gerald Funke

Diskussion mit dem Auditorium; das Panel: Dr. Frank Sauer, Prof. Dr. Götz Neuneck, Generalleutnant a.D. Kurt Herrmann und Brigadegeneral Gerald Funke