Bericht zum 14. Clausewitz-Strategiegespräch: Wie stabil ist die transatlantische Brücke über rauen Wassern in stürmischen Zeiten?
14. Clausewitz-Strategiegespräch diskutiert aktuelle Herausforderungen
Dankbare Erinnerung an die lebenserhaltende alliierte Luftbrücke für Berlin vor 70 Jahren und wachsende Sorge vor einer Erosion der transatlantischen Brück heute; diesen Bogen schlug Staatssekretär Dr. Michael Schneider bei seiner Begrüßung als Hausherr. Der Bevollmächtigte des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund konnte unter den wieder zahlreich erschienenen Gästen auch die Ministerin für Justiz und Gleichstellung Sachsen-Anhalts, Frau Dr. Anne-Marie Keding, begrüßen.
Die aktuelle internationale sicherheitspolitische Lage skizzierte Generalleutnant a. D. Kurt Herrmann, Präsident der Clausewitz-Gesellschaft e.V., in seiner einleitenden Moderation. Nie zuvor seien die nordatlantische Allianz, Europa und die westliche Werteordnung von derart komplexen und vielfältigen Bedrohungen herausgefordert worden. Die wachsende Aushöhlung des Multilateralismus und der regelbasierten internationalen Ordnung treffe Europa besonders hart. Mit großer Sorge müsse man gerade in Deutschland den Verlust an Vertrauen in die USA beobachten. Zugleich zeige sich ein klares Dilemma: Einerseits verbreitere sich die Erkenntnis, dass Europa seine sicherheitspolitischen Interessen stärker in die eigene Hand nehmen muss. Andererseits fehle es vielfach an der Bereitschaft, ausreichende Ressourcen für entsprechend notwendige militärische Fähigkeiten bereitzustellen.
Dr. Andrew Blair Denison, Direktor „Transatlantic Networks“, zeichnete ein facettenreiches Bild der Lage aus amerikanischer Sicht. Als herausragende Probleme im Verhältnis USA-Deutschland nannte er die weit unter 2% liegenden Verteidigungsausgaben, das Pipeline-Projekt NORDSTREAM II, die deutsche Haltung im Atomstreit mit dem IRAN und den Handelsüberschuss. Sehr kritisch beleuchtete er auch die Rolle Deutschlands in Europa und forderte eine eindeutigere Definition deutscher Interessen. Trotz allen negativen Entwicklungstrends seit der Amtsübernahme von US-Präsident Trump sieht er weiterhin mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes zwischen den USA und Deutschland.
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, MdB Jürgen Hardt, analysierte ausgewählte Aspekte der deutschen und europäischen Außenpolitik mit Relevanz für das transatlantische Verhältnis und die Sicherheit in Europa. Dabei ging er vor allem auch auf die Einflüsse der aktuellen russischen Politik, die verschärfte Lage im Mittleren Osten nach Aufkündigung des Atomabkommens mit dem IRAN durch die USA und auf Defizite der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union ein. Deutlich unterstrich er die Notwendigkeit von Mehrheitsentscheidungen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit und Effizienz in der europäischen Außenpolitik. Und er betonte wie wichtig es sei, sich dauerhaft und auf allen Ebenen um Dialog zwischen EU/Deutschland und den USA zu bemühen.
Die Panel-Diskussion erörterte danach Fragen zum Wertekanon, zu Möglichkeiten, der transatlantischen Brücke neue Stabilität zu verleihen und zur notwendigen Haltung von USA und EU gegenüber Russland und China. Dabei standen immer wieder auch die Lastenteilung („burden sharing“) im Bündnis sowie die Glaubwürdigkeit geplanter Verteidigungsleistungen der stärksten europäischen Wirtschaftsmacht, Deutschland, im Fokus. Außerdem wurden US-Zweifel, ob europäische Bemühungen zur Stärkung eigener Fähigkeiten (Stichwort PESCO) komplementär ergänzend zu den Fähigkeiten im Rahmen der NATO erfolgten, thematisiert. Nicht zuletzt richtete sich der Blick auf mögliche Rüstungskontrollmechanismen nach Beendigung des INF-Vertrags.
In der lebhaften Aussprache mit dem Auditorium wurde sehr deutlich die Sorge artikuliert, das transatlantische Verhältnis sei stärker gefährdet, als das bisher in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Einzelne Kommentare und Fragen erwähnten Versuche zur Spaltung und Schwächung der EU, die man sowohl von russischer als auch von US-amerikanischer Seite zu erkennen glaube. Mehrfach erwähnt wurde ebenfalls die Befürchtung, dass ein sich weiter ausbreitender Entfremdungsprozess das transatlantische Verhältnis nachhaltig stören oder sogar zerstören könne.
Der Moderator hob in seinen Schlussworten die Notwendigkeit hervor, den Blick stärker auf Verlässlichkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie auf konstruktive Alternativen gegen disruptive Entwicklungen zu richten. Es gebe keine Sicherheit in Europa ohne europäische Integration, und es gebe keine Sicherheit in Europa ohne amerikanisches Engagement in Europa. Europa müsse transatlantisch bleiben und zugleich europäischer werden. Das bedeute insbesondere, Europa müsse selbst mehr, glaubwürdig und verlässlich verteidigungspolitische Verantwortung übernehmen. Auch wenn es zunehmend schwer falle, sollte weiterhin auf europäischer Seite alle Kraft daran gesetzt werden, der transatlantischen Brücke neue und nachhaltige Stabilität zu verleihen.
Nach dem Dank von Präsident Herrmann an die Referenten und die beiden Kooperationspartner, die Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V. und die Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, fanden noch lange anregende Gespräche in wechselnden Gruppen beim Empfang in der Landesvertretung statt.