Der Generalinspekteur beim RK WEST am 24.09.2021
Angesichts des Rückzugs der NATO aus Afghanistan und der gerade vor wenigen Wochen abgeschlossenen Evakuierungsoperation Kabul hatte es sich der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, nicht nehmen lassen, persönlich zu diesen hochaktuellen Themen vorzutragen. Darüber hinaus hat er im zweiten Teil der Veranstaltung – wie bereits in den Vorjahren – in einer Tour d’Horizon seine derzeit wichtigsten Handlungsfelder beleuchtet.
An dieser Veranstaltung des Regionalkreises WEST der Clausewitz-Gesellschaft waren traditionsgemäß das Bonner Forum der Deutschen Atlantische Gesellschaft und die Sektion Köln-Bonn der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik beteiligt. Freundlicherweise hatte das Amt für Heeresentwicklung erneut sein Tagungszentrum als Veranstaltungsort zur Verfügung gestellt, so dass erstmals nach längerer Pause wieder eine Präsenzveranstaltung möglich war. Zusätzlich wurden die Vorträge Mitgliedern der drei Gesellschaften auch online angeboten.
Im ersten Teil seiner Ausführungen stellte General Zorn die Einsätze in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei griff er die vielfach gestellte Frage auf, mit welcher Strategie man in die Einsätze gegangen sei, bzw. ob man überhaupt eine konsistente Strategie gehabt habe. Die häufig zitierte Maxime „gemeinsam rein, gemeinsam raus“ sei noch keine Strategie. Letztlich sei Bündnistreue das bestimmende Motiv bei allen Einsätzen gewesen, an denen sich die Bundeswehr beteiligt habe.
Afghanistaneinsatz
Hinter dem Afghanistaneinsatz habe zudem die politische Idee gestanden, das Land zu stabilisieren und dort eine Demokratie nach westlichem Muster aufzubauen. Diese Idee sei allerdings nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Der Einsatz habe sich bekanntlich von der anfänglichen Stabilisierungsoperation über Counterinsurgency bis hin zur Ausbildung und Ertüchtigung der afghanischen Sicherheitskräfte entwickelt. Warum es nicht gelungen sei, die Streitkräfte so aufzustellen, dass sie auch nach Abzug der NATO die Sicherheit im Land gegenüber den Taliban gewährleisten konnten, sei – auch mit Blick auf den Einsatz in der Sahel-Zone – noch zu untersuchen. Die afghanische Armee sei zwar kampffähig, aber offenbar nicht kampfwillig gewesen. Der völlige Zusammenbruch des Widerstandes gegen die Taliban und das totale Versagen des politischen Systems nach dem Abzug der westlichen Truppen habe alle Akteure überrascht.
Der militärische Rückzug der Bundeswehr, natürlich gekoppelt an die amerikanischen Entscheidungen, sei frühzeitig logistisch geplant und den wechselnden zeitlichen Vorgaben angepasst worden. Er sei auch generalstabsmäßig abgelaufen. Demgegenüber seien Überlegungen zu politisch-diplomatischen Vorkehrungen für die Zeit nach dem Abzug nicht so recht zu erkennen gewesen.
Zur Kritik am Empfang des letzten Afghanistan-Kontingents
Die öffentliche und mediale Kritik am Empfang des letzten Bundeswehrkontingents in Wunstorf hält der Generalinspekteur für unberechtigt. Er selbst sei Mitte Juni noch einmal nach Afghanistan geflogen, um das letzte Kontingent vor Ort aus seiner Verantwortung zu entbinden. Aus Sicherheitsgründen sei es erforderlich gewesen, den Zeitpunkt des letzten Fluges geheim zu halten, so dass sich – in Übereinstimmung mit den verantwortlichen Truppenführern – ein „großer Bahnhof“ für die Begrüßung in Wunstorf verboten habe. Die Truppe sei dort nicht von „irgendeinem General“, sondern vom Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Pfeffer, in der Heimat willkommen geheißen worden. Im Übrigen habe bereits seit April festgestanden, dass der Afghanistaneinsatz insgesamt durch einen größeren Festakt unter Beteiligung des Bundespräsidenten gewürdigt werden solle. Dies habe man allerdings noch nicht kommunizierten können, weil mehrere Akteure auf diesen Zug aufgesprungen seien und der Abstimmungsprozess dadurch gedauert habe.
Auswertung des Afghanistaneinsatzes
Was die Bewertung des Afghanistaneinsatzes angehe, liege eine militärische Auswertung der ISAF-Mission seit langem vor, Resolute Support werde jetzt ausgewertet. In einem ersten Urteil könne er feststellen, dass die Bundeswehr ihre mandatierten militärischen Aufträge uneingeschränkt erfüllt und in den vergangenen 20 Jahren zu einem gewissen Maß an Grundsicherheit im Land beigetragen habe. Auch die afghanische Armee sei gut ausgebildet worden und kampffähig gewesen; Kampfwilligkeit sei naturgemäß von außen schwer zu beurteilen und zu vermitteln.
Um die Lage in von Terrorismus bedrohten Ländern zu stabilisieren, ohne selbst dauerhaft in Counterinsurgency-Operationen gebunden zu sein, sei Ausbildung und Ertüchtigung der örtlichen Sicherheitskräfte nach wie vor ein sinnvoller Ansatz. Darum bemühe sich die Bundeswehr im Rahmen der UN-Mission in Mali und bilateral mit einem etwas anderen Ansatz in Niger.
Überführung von Ortskräften der Bundeswehr nach Deutschland
Intensiv ging General Zorn auf das Thema „Ortskräfte“ ein. Im Bundesministerium der Verteidigung habe man das Thema früh auf dem Schirm gehabt. Alle afghanischen Mitarbeiter der letzten Jahre seien bereits im April listenmäßig erfasst gewesen. Eine größere Zahl von Ortskräften mit Familienangehörigen sei auch frühzeitig nach Deutschland überführt worden. In der Bundesregierung habe es allerdings in dieser Frage unterschiedliche Interessen gegeben. Dabei sei auch die Auffassung vertreten worden, diese Menschen mit oftmals für afghanische Verhältnisse überdurchschnittlichen Qualifikationen sollten in ihrer Heimat verbleiben, weil sie für den weiteren Aufbau in ihrem Land benötigt würden. Später seien dann jedoch die Kriterien für gefährdete Ortskräfte erheblich erweitert worden, so dass sich die Zahlen dramatisch erhöht hätten. Nach dem Abzug des deutschen Kontingents sei der Versuch, weitere Ortskräfte mit Chartermaschinen auch aus Masar-e Scharif zu evakuieren, daran gescheitert, dass die Sicherheit auf dem Flughafen nicht hätte gewährleitet werden können.
Luftbrücke Kabul
Mitte August habe man nur noch ein sehr eingeschränktes Lagebild über die Entwicklung in Afghanistan gehabt. Der Rückzug der deutschen Botschaftsangehörigen aus Kabul sei dann die Initialzündung für die ad-hoc-Planung der „Luftbrücke Kabul“ gewesen. Die Durchführung dieser Operation und die apokalyptischen Verhältnisse auf und vor dem Flughafen schilderte General Zorn in sehr plastischen Bildern und vielen Details. Eine solche Operation in kürzester Zeit vorzubereiten, sei nur möglich gewesen, weil der vorgehaltene Gefechtsverband „EvacOp“ sehr gut ausgebildet und sein Zusammenwirken mit Anteilen aus allen Teilstreitkräften und Organisationsbereichen ständig geübt worden sei. Er habe seine Aufgabe unter Führung von Brigadegeneral Arlt hervorragend erfüllt. Erfreulich sei im Übrigen auch gewesen, dass die A 400-M-Transportflugzeuge, die rund um die Uhr ohne jeglichen Ausfall geflogen seien, ihre hohe Einsatzbereitschaft unter schwierigen Bedingungen beweisen konnten.
Teilweise hätten Menschen mit nächtlichen Patrouillen und in einem Fall auch mit den nachgeführten Helikoptern aus Kabul zum Flughafen gebracht werden müssen. Mit dem Rückzug der Amerikaner habe man dann auch die eigene Mission abbrechen und alle Teile zur Basis Taschkent rückverlegen müssen. Die Ministerin, die Wehrbeauftragte, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes und er selbst hätten die sich dort sammelnden Kräfte begrüßt und ihre Anerkennung zu dem Erfolg des ohne Verluste abgelaufenen Einsatzes ausgesprochen. Alle Teilnehmer der Operation seien, obwohl die Einsatzdauer den bisherigen Kriterien nicht entsprochen habe, nach einem schnellen und unbürokratischen Genehmigungsverfahren mit der Einsatzmedaille ausgezeichnet worden.
Führen im Informationsraum
Einen Exkurs widmete der Generalinspekteur dem Thema „Führung im Informationsraum“. Dabei zeigte er die vielfältigen Anforderungen und Informationspflichten gegenüber dem Parlament, dem Kanzleramt und den anderen beteiligten Ressorts, den Medien und nicht zuletzt dem eigenen Haus auf, der die Hauptbeteiligten in diesem Zeitraum jeden Tag von morgens bis abends viele Stunden beschäftigt habe. In Ermangelung eines Führungszentrums, wie es vom Generalinspekteur seit langem gefordert wird, musste dies im Wesentlichen aus dem Büro der Ministerin heraus erfolgen. Die Schwierigkeit im Internetzeitalter besteht dabei darin, mit den unzähligen bereits im Netz befindlichen Informationen oder auch Falschmeldungen auf der Höhe zu bleiben. Hier bestehe noch ein deutlicher Verbesserungsbedarf.
Hochwassereinsatz an der Ahr und Leistung der Truppe
Beim Hochwassereinsatz im Ahrtal war das Problem genau gegensätzlich. Es mangelte den verantwortlichen Behörden an Informationen, weil die dafür erforderliche kritische Infrastruktur nahezu komplett ausgefallen war. Hier konnte die Bundeswehr mit ihren Systemen zumindest teilweise für Aushilfen sorgen – auch wenn Bundeswehr-Infrastruktur, wie das Rechenzentrum in Rheinbach, ebenfalls durch Hochwasserschäden beeinträchtigt war. Auch hier habe die Truppe Vorzügliches geleistet – mit den Mitteln, die sie habe. Erfolgsgaranten waren sowohl beim Einsatz in Kabul als auch bei der Katastrophenhilfe an der Ahr eine vorzügliche Ausbildung und ein bemerkenswerter Mindset. Die Bundeswehr erbringe mit seinem herausragenden Führungspersonal in Verbindung mit der Auftragstaktik insgesamt hervorragende Leistungen, die auch international hohe Anerkennung fänden.
Entwicklungen in der NATO
Im zweiten Teil seiner Ausführungen ging General Zorn in einer Tour d’Horizon auf unterschiedliche Handlungsfelder in seinem Aufgabenbereich ein. Er richtete zunächst den Blick auf die NATO, die sich zum einen damit befasst, die stärkere Hinwendung zur Landes- und Bündnisverteidigung weiter umzusetzen. Dazu gehört der Aufbau der neuen Kommandostruktur, zu der Deutschland mit dem Joint Support and Enabling Command in Ulm einen bedeutenden Beitrag leistet. Hier seien inzwischen auch alle internationalen Dienstposten besetzt, so dass man die regionalen Verteidigungsplanungen vorantreiben und damit auch eine bessere Führungsfähigkeit z.B. für die VJTF, schaffen könne.
Zum anderen aber werde unter dem Stichwort NATO 2030 untersucht, wie sich das Bündnis für die Herausforderungen der Zukunft aufstellen solle. Dazu gehöre zum einen ein Modernisierungsschub im Hinblick auf die Integration neuer Technologien, z.B. Drohnen und Künstliche Intelligenz, in die Streitkräfte. Auch die Frage, wie der zunehmenden Bedrohung aus dem Cyberraum zu begegnen sei und welche rechtlichen Anpassungen dazu erfolgen müssten, sei zu prüfen. Denn Szenarien nach Artikel V seien eher unwahrscheinlich, wahrscheinlicher seien hybride Formen der Auseinandersetzung. Und nicht zuletzt betrachte die NATO auch, welche strategischen Implikationen die Klimafolgen haben könnten.
Strategisch richte sich die NATO stärker zum indo-pazifischen Raum hin aus. Auch Deutschland als Exportnation habe natürlich politisch-wirtschaftliche Interessen in Asien, Interesse an freien Seewegen und an der Einhaltung der Rechtsordnung. In diesem Zusammenhang sei die Ausbildungsfahrt der Fregatte „Bayern“ nach Singapur, Japan, Südkorea und Australien und ihre Präsenz im Chinesischen Meer zu sehen. Man wolle die Aktivitäten in diesem Raum, die insbesondere von Japan und Australien sehr begrüßt würden, nicht auf die Marine beschränken, sondern künftig auch die Luftwaffe und möglicherweise das Heer einbeziehen. Damit wolle man ein Signal geben, ohne sich jedoch zu überheben.
Entwicklungen in der EU
Die EU stelle sich in der strategischen Lagebeurteilung darauf ein, dass die USA ihren Schwerpunkt nach Südostasien verlagern, gehe aber davon aus, dass sie die bisherige Präsenz in Europa nicht wesentlich reduzierten. Es habe im Bereich PESCO einige erfreuliche Fortschritte gegeben, darunter auch Projekte von denen man im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung profitieren könne. Auch die zunehmende Einbeziehung Österreichs sei zu begrüßen.
Dagegen seien die sehr weitgehenden Forderungen nach einer Europäischen Armee, Europäischen Eingreifkräfte, einer Initial Entry Force und Evakuierungsverbänden, wie sie gerade wieder aktuell vermehrt geäußert würden, wenig realistisch. Tatsächlich gelinge es teilweise nur mit Mühe, selbst die vereinbarte EU Battle Group ohne Unterbrechung zu stellen. Im Übrigen sei dieses Instrument kaum jemals genutzt worden. Deutschland habe für 2025 Vorschläge eingebracht, wie Aufstellungsrhythmus, Führung, Effizienz und Synchronisation mit den NATO-Eingreifkräften verbessert werden könnten.
Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft
Die Analysen zur Optimierung der Grobstruktur seien im November 2021 abgeschlossen gewesen. Die Ministerin habe entschieden, die Arbeit zu den Eckpunkten nicht einzustellen, sondern über die Legislaturperiode hinweg fortzusetzen. Abholpunkte für die Analyse waren die aktuellen Bedrohungsanalysen von NATO und EU. Ziel sei es, die Bundeswehr schlagkräftiger aufzustellen, die Führungs- und Handlungsfähigkeit zu stärken und die Einsatzfähigkeit insgesamt zu verbessern. Dazu gehöre, die derzeit häufig aufgesplitterte Verantwortung wieder in eine Hand unter einer Führung zu geben.
Im Territorialen Bereich habe die Unterstützung in der Corona-Pandemie gezeigt, dass die 16 Landeskommandos nicht so aufgestellt seien, dass sie auf sich gestellt ihre regionalen Aufgaben voll wahrnehmen könnten. Alle Divisionsstäbe des Heeres und Stäbe der Luftwaffe und Marine seien eingebunden gewesen. Um die Führungsfähigkeit in diesem Bereich zu verbessern, solle für die Operative Führung Inland ein Territoriales Führungskommando in Berlin und Bonn aufgestellt werden. Die Verantwortung für die Einsätze verbleibe unverändert beim Einsatzführungskommando. Die Truppe werde ohne Stationierungsveränderungen in die vier Dimensionen Land, Luft einschließlich Weltraum, See sowie Cyber- und Informationsraum gegliedert.
Der Sanitätsdienst werde nicht abgeschafft, und es solle auch keine Leistungseinbußen geben, aber es werde eine bessere Verzahnung zwischen der Sanität und den unterstützten Truppenteilen angestrebt. Der Inspekteur Sanität habe den Untersuchungsauftrag, wie dies bestmöglich erreicht werden könne. Zugleich solle im BMVg ein Generalarzt etabliert werden, um die bisher verstreuten Aufgaben in einer Hand zusammenzufassen und Redundanzen zwischen BMVg und Sanitätskommando abzubauen.
Readiness und Fähigkeiten
Zur Einsatzbereitschaft führte General Zorn aus, dass derzeit immer noch alle Anstrengungen darauf ausgerichtet werden müssten, die für Bereitschaftsverbände vorgesehenen Truppenteile personell und materiell optimal auszustatten – teilweise unter Rückgriff auf die Ressourcen nicht-beteiligter Verbände. Die übrige Truppe sei von ihrer Ausstattung und Bevorratung her nur nach einem längeren Vorlauf einsatzbereit. Das müsse sich ändern. Im materiellen Bereich müsse man wieder eine Vollausstattung und eine angemessene Bevorratung erreichen. Vieles habe sich in den letzten Jahren bereits verbessert, aber insbesondere bei Ersatzteilen bestünden immer noch deutliche Defizite. Zur personellen Readiness gehöre neben Ausbildung und Fitness auch ein vorgegebener Impfstatus, sonst sei die Einsatzbereitschaft – auch für Einsätze im Katastrophenfall oder in der Corona-Pandemie – nicht sichergestellt.
Was die Fähigkeiten anbelangt, sei ein breiter Fähigkeitsmix mit Anlehnungsfähigkeit für kleinere Staaten erforderlich. Eine stärkere Rollenverteilung zwischen den europäischen Partnern, wie gelegentlich gefordert, sei derzeit unrealistisch. Auch die aufgegebene Flugabwehrfähigkeit im Nahbereich müsse wiederhergestellt werden. Die dafür erforderlichen Elemente würden bei der Luftwaffe angesiedelt.
Beschaffungen
In Bezug auf die Modernisierung habe die Bundeswehr einen erheblichen Nachholbedarf, insbesondere im Bereich der Führungsfähigkeit und Aufklärung. Auch die Ausstattung der Streitkräfte mit bewaffneten Drohnen sei überfällig.
Bei Neubeschaffungen sei stets zu prüfen, ob es notwendig sei, Gerät neu zu entwickeln, oder ob man auf Kauflösungen zurückgreifen könne. Bei der dringend anstehenden Ablösung des Mittleren Transporthubschraubers CH-53 könne es nur eine Kauflösung geben. Bekannterweise kämen dafür zwei amerikanische Modelle in Frage, zwischen denen die Entscheidung zu treffen sei. Im Übrigen sei bei allen großen Beschaffungsvorhaben ein Forderungscontrolling wichtig, bei dem man abwägen müsse, ob immer die Spitze des technologisch Denkbaren angestrebt werden solle oder ob Robustheit und eine hohe Einsatzbereitschaft wichtiger seien.
Im Übrigen habe Staatssekretär Zimmer auf der Grundlage der intensiven Schwachstellenanalyse der vergangenen Jahre eine neue Beschaffungsstrategie vorgelegt und untersuche z.Z., ob und ggf. wie man den Forderungen der Inspekteure nach Rückverlagerung der Nutzung in ihre Verantwortung nachkommen könne.
Doktrin
Da der Generalinspekteur im Bereich Doktrin Defizite sieht, soll an der Führungsakademie ein Doktrinzentrum aufwachsen, das sich mit dem Kriegsbild der Zukunft und dessen dimensionsübergreifende Auswirkungen auf die Streitkräfte befasst.
Ausblick
Abschließend umriss General Zorn noch einmal die wichtigsten Handlungsfelder, von denen einige, wie die Aufstellung des Weltraumkommandos, bereits umgesetzt seien. Wie es bei anderen Fragen weitergehe, einschließlich der erforderlichen Unterlegung der Planungen mit Haushaltsmitteln, hänge natürlich von der neuen Regierung ab. Grundlegende Veränderungen an den Eckpunkten erwarte er jedoch nicht, da sie mit den Obleuten der Parteien intensiv besprochen worden seien. Dabei habe es in den grundsätzlichen Fragen keine unterschiedlichen Auffassungen gegeben. Das Aussetzen der Arbeiten bis zur Bildung einer neuen Regierung sei keine sinnvolle Option gewesen, weil auch die Umsetzung der Maßnahmen weitere zusätzliche Zeit erfordere. Er hoffe daher, dass die noch ausstehenden Entscheidungen nach der Wahl schnell getroffen werden könnten.
Aussprache und Abschluss
Die intensive Aussprache, für die – wie üblich – die Zeit nicht ausreichte, bewegte sich in einem breiten Themenspektrum. Etliche Fragen zielten auf den Afghanistaneinsatz und die daraus abzuleitenden Lehren. Aber auch die Katastrophenhilfe an der Ahr, die Notwendigkeit eines Nationalen Sicherheitsrats, der NATO-Planungsprozess und die Bedeutung der Rüstungskontrolle wurden behandelt.
Das Auditorium dankte dem Generalinspekteur für seine gewohnt souveränen, kenntnisreichen und zugleich lockeren Ausführungen sowie für seine Bereitschaft, persönlich den gesamten Vormittag mit diesem Kreis zu bestreiten, mit langanhaltendem Applaus.
Grußwort des Hausherrn der Veranstaltung
In einem Grußwort des Hausherrn der Veranstaltung hatte der Amtschef des Amtes für Heeresentwicklung, Generalmajor Bernhard Liechtenauer, zu Beginn der Veranstaltung kurz die Eckpunkte für die zukünftige Entwicklung des Heeres vorgestellt. Er begrüßte die geplante Zusammenführung der Kräfte für Landoperationen aus der Streitkräftebasis und dem Heer nach dem Grundsatz „organize as you fight“. Die Mindestanforderung an deutsche Landstreitkräfte sei eine nationale, „kaltstartfähige“ und durchsetzfähige Division, die über ein Kontinuum von leichten luftbeweglichen, mittleren radbeweglichen und schweren Kräften einschließlich der erforderlichen Unterstützungskräfte verfüge. Dabei wies er insbesondere auf den Aufbau Mittlerer Kräfte hin, die unter Nutzung Rad-Kfz-basierter Waffenträger dem Heer eine höhere strategische Mobilität verschaffen sollen.
Er zeigte den insgesamt für die geplante Heeresentwicklung erforderlichen Finanzbedarf auf und forderte, sich bei der Beschaffung nicht auf Einzelprojekte zu kaprizieren, sondern Großverbände des Heeres als Systemverbund zu betrachten. Denn der operative Nutzen hänge vom funktionierenden Zusammenwirken aller benötigten Komponenten ab. Abschließend stellte General Liechtenauer die Überlegungen zur neuen Organisation der Landstreitkräfte dar, in der das Kommando Heer die Rolle eines Land Component Command übernimmt und das Amt für Heeresentwicklung zu einem „Systemhaus Land“ aufwachsen soll, in dem Weiterentwicklung, Ausbildung und Nutzung wieder – wie einst im Heeresamt – zusammengeführt werden.
Der Leiter des RK WEST nutzte die Gelegenheit, dem scheidenden Amtschef des Amtes für Heeresentwicklung für die mehrfache vorzügliche Unterstützung bei Veranstaltungen zu danken.
Die Veranstaltung war wiederum – wie bereits in den Vorjahren – das Highlight im Vortragsjahr des RK WEST.
Jürgen Ruwe, Generalleutnant a.D.