Die Deutschen und das Militär – Podiumsdiskussion am 08.12.16 in Bonn
Podiumsdiskussion zum Verhältnis von Gesellschaft und Bundeswehr
Mit wachem Interesse verfolgten die Zuhörer im gut gefüllten Vortragssaal des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn am 8. Dezember 2016 die von der Jakob-Kaiser-Stiftung organisierte abendliche Diskussion von Experten zur Frage „Nun sag, wie hast Du’s mit dem Militär?“
Nach den Grußworten des Hausherrn, Professor Dr. Harald Biermann, führte Dr. Florens Mayer von „dimap Berlin“ inhaltlich in die Thematik ein mit seinem anschaulichen Impulsvortrag über empirische Befunde von der Gründung der Bundesrepublik bis heute. Dabei stellte er drei Phasen heraus: Die Zeit „anti-militärischer Stimmung“ nach der Gründung der Bundesrepublik, den „militärischen Defensivismus“ während des Ost-West-Konfliktes und die Phase der „militärischen Zurückhaltung“ nach der Wiedervereinigung.
Unter der Moderation von Professor Dr. Tilman Mayer, Universität Bonn, diskutierten anschließend Professor Dr. Dr. h.c. Wilfried von Bredow, Universität Marburg, Botschafter a.D. Dr. Hans-Dieter Heumann, ehemaliger Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, und der ehemalige Präsident unserer Clausewitz-Gesellschaft, Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen, Grundsatzfragen zum Verhältnis von Militär, Politik und Gesellschaft.
Prof. Dr. Mayer nannte in seiner Anmoderation einige Schwerpunkte der Diskussion zur Rolle von Streitkräften und zum Verständnis des Militärs in der Politik sowie Gesellschaft, und er unterstrich die Notwendigkeit von Friedensforschung.
Dr. Olshausen erwähnte in seinen einleitenden Worten u.a. die Eidesformel für die Soldaten der Bundeswehr und schilderte das aktuelle berufliche Umfeld unserer Soldaten sowie die spezifischen sicherheitspolitischen Herausforderungen an die Bundeswehr mit treffenden Beispielen. Dabei zog er nicht nur einige Erkenntnisse von Clausewitz heran, sondern erwähnte auch die aus der veränderten Sicherheitslage erwachsenden Konsequenzen für die künftige Gewährleistung der äußeren und inneren Sicherheit unseres Landes. Mit kritischen Worten bewertete er die konkrete Einstellung der Gesellschaft gegenüber den Soldaten. Hierbei wies er insbesondere auch auf die sogenannte „Zivilklausel“ an mehreren Hochschulen und auf den Ausschluss von Jugendoffizieren an etlichen Schulen hin. In diesem Zusammenhang brachte er ebenfalls seine Verwunderung zum Ausdruck, dass kein aktiver Soldat zur Teilnahme an dem Panel eingeladen war.
Prof. Dr. von Bredow beleuchtete zunächst den 1945 erfolgten Bruch in der politisch-militärischen Kultur in Deutschland, datierte den Beginn der „Politik der Zurückhaltung“ auf einen bereits viel früheren Zeitpunkt als im Impulsvortrag erwähnt und ging dann ein auf das seit 1994 deutlich sichtbar gewordene Spannungsfeld zwischen wachsenden internationalen Erwartungen an einen deutschen Beitrag zur Krisenbewältigung sowie Friedenssicherung einerseits und die deutsche Scheu vor Gewalt und Krieg andererseits. Er stellte sodann fest, dass der Einsatz in Afghanistan die Einstellung der Öffentlichkeit zu den Streitkräften verändert habe und nannte die Reden des Bundespräsidenten sowie des Bundesaußenministers und der Bundesministerin für Verteidigung bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 als deutliche Signale für eine schrittweise Abkehr von der Politik der Zurückhaltung. Auf Nachfrage ergänzte er, dass in der Praxis nach wie vor keine ganzheitliche, ressortübergreifende Sicherheitsstrategie in der praktischen deutschen Politik erkennbar sei.
Dr. Heumann ging seinerseits vor allem auf übergreifende Punkte der Strategieentwicklung in einer multipolaren Welt ein, stellte die konkrete Definition deutscher (Sicherheits-)Interessen im Weißbuch 2016 der Bundesregierung heraus und betrachtete einige sich vermutlich demnächst verschärfende Anforderungen an Deutschlands Rolle und Verantwortung im europäischen und transatlantischen Kontext. Dabei erwähnte er u.a. auch die erwarteten Auswirkungen derzeit stattfindender Machtverschiebungen und hob hervor, dass militärische Macht als Mittel der Außenpolitik die Diplomatie stützen solle.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurden vor allem Themen wie beispielsweise „Ertüchtigung von Regionalkräften vs. militärische Intervention mit eigenen Kräften“, „präventive Sicherheitsvorsorge“, „historische Belastung des Begriffs Geopolitik“, „Europäische Armee vs. stufenweise Integration auf dem Weg zur europäischen Verteidigung “ und „Stand sowie Perspektiven der Zusammenarbeit NATO-EU“ erörtert. Sehr häufig standen dabei der revisionistische Kurs der jüngsten russischen Außenpolitik, die zu erwartenden oder befürchteten Konsequenzen des „BREXIT“ und Annahmen oder sogar Spekulationen zur künftigen Politik des designierten US-amerikanischen Präsidenten Trump im Mittelpunkt.
Ziemlich zum Schluss kam man in der Diskussion mit dem Auditorium dann von den bisweilen stark akademisch geprägten sicherheitspolitischen Betrachtungen zurück auf eher praxisbezogene Gesichtspunkte, wie „Soldat und Staatsbürger oder Soldat als Staatsbürger in Uniform“, „Erscheinungsbild von Soldaten in der Öffentlichkeit“, „Stellung oder Wahrnehmung von Soldaten mit oder ohne Einsatzerfahrung“ und „Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft“. Mit Besorgnis bewertet wurde von der Runde eine wachsende Entfremdung zwischen Bundeswehr und Gesellschaft durch die starke Reduzierung und damit abnehmende Präsenz in der Fläche.
Kurt Herrmann