Strategische Bedeutung des Weltraumrechts im Staatengemeinschaftsraum mit dynamisch wachsenden Herausforderungen – RK WEST am 6.1.2025
Mit den traditionellen Operationsdomänen Land, Luft und See sowie dem Cyber- und Informationsraum hatte sich der Regionalkreis West bei mehreren Vortragsveranstaltungen im Jahr 2024 befasst. Bei der ersten Veranstaltung des neuen Jahres 2025 richtete sich der Fokus auf die fünfte sicherheitspolitische und operative Domäne, den Weltraum.
Dass der Weltraum längst als ein unverzichtbarer Bestandteil unserer modernen, global vernetzten Welt gilt, wurde in den einleitenden Worten von Generalleutnant a.D. Kurt Herrmann deutlich. Für Staaten bedeutet der Weltraum Sicherheit, Macht und Prestige. Große Nationen und inzwischen auch private Unternehmen investieren Milliarden, um ihre Position im All auszubauen und neue Ressourcen zu erschließen. Für die Gesellschaft insgesamt sind Weltraumtechnologien wie GPS oder Satellitenkommunikation aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Der Zugang zu Wissen über den Klimawandel, Naturkatastrophen oder globale Lieferketten wird im Grunde durch Beobachtungen aus dem All erst wirksam möglich.
Der Weltraum zwischen Erde und Mond hat schon seit geraumer Zeit auch eine zentrale Rolle in der Sicherheitspolitik und bei den Streitkräften vieler Staaten eingenommen. Er dient nicht nur der Kommunikation und Überwachung, sondern ist ein unverzichtbares Element für die strategische Positionierung und Verteidigungsfähigkeit geworden. Einige wesentliche sicherheitspolitische Aspekte wurden beispielhaft erwähnt:
- Präzise Wettervorhersagen für Operations- und Einsatzplanungen sind heute ohne entsprechende Wettersatelliten kaum mehr vorstellbar.
- Militärische Kommunikation läuft zunehmend über Satelliten, die global vernetzte und sichere Verbindungen ermöglichen. Angesichts der erst jüngst wieder bewusst gewordenen Verwundbarkeit terrestrischer Netze, vor allem auch der Unterseekabel, braucht es wirksame und verlässliche Redundanzen im Weltraum.
- Erderkundungs- und Aufklärungssatelliten sind nicht nur für die Streitkräfte mittlerweile unverzichtbar, sondern auch für umfassende, aussagekräftige politische Lagebeurteilungen und Entscheidungsprozesse. Da sie Ergebnisse durch nicht-intrusiven Einsatz liefern, kann ihnen grundsätzlich auch keine Eskalationskapazität zugemessen werden. Nicht zuletzt bietet die Reaktionsfähigkeit der genannten Systeme ein nahezu unschätzbares Erkenntnispotenzial bei Krisen und Konflikten weltweit.
- Frühwarnsatelliten sind mit ihren spezifischen Leistungsdaten entscheidend für die Erkennung von Risiken und die Abwehr potenzieller Bedrohungen, insbesondere durch Mittel- und Langstreckenraketen, die Massenvernichtungswaffen zur Wirkung bringen können.
- Satellitennavigation ist essenziell für den Einsatz von Drohnen, Raketen und Präzisionswaffen unterschiedlichster Art, die auf millimetergenaue Zielbestimmung angewiesen sind. Nicht zuletzt im russischen Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Ukraine hat sich diese Technologie als eine herausragende Kriegsfähigkeit erwiesen.
- Zunehmend versuchen Staaten ihre Satellitensysteme vor gegnerischen Angriffen zu schützen oder selbst offensive Fähigkeiten zu entwickeln. Staaten, die über fortschrittliche Weltraumtechnologien verfügen, haben dadurch strategische Vorteile und können ihre Machtposition ausbauen.
Das Weltraumrecht ist ein spezielles internationales Rechtsgebiet, das die Nutzung und Erforschung des Weltraums regelt. Seine Bedeutung ist heute größer denn je, da immer mehr Staaten und private Akteure Interesse daran haben, den Weltraum zu erforschen und wirtschaftlich zu nutzen. Die Ursprünge des Weltraumrechts führen in Deutschland, an den Lehrstuhl der Universität zu Köln für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht. Dessen aktueller Inhaber ist Prof. Dr. Dr. h.c. (mult.) Stephan Hobe, der Referent der gut besuchten Veranstaltung. Er ist ein international führender Experte in Fragen des Weltraumrechts.
In seiner „Einführung in das Weltraumrecht“ ging der Referent zunächst auf einige konkrete Beispiele für die Nutzung des Weltraums ein. Da es keine international einvernehmlich vereinbarte Definition gibt, stellte er sein dreistufiges Grundmodell vor, das ab der „Kármán-Linie“, einer gedachten Grenze in einer Höhe von ca. 100 km über dem Meeresspiegel (die genutzt wird, um die Luftfahrt von der Raumfahrt zu unterscheiden) folgende Kategorien umfasst: das irdische (terrestrisch-luneare) System, das interplanetarische (Sonnen-) System und die weiteren Galaxien im unendlichen (sich weiter ausdehnenden) Weltraum. Das Weltraumrecht beinhaltet menschliche Regelungen für menschliche Aktivitäten im Weltraum.
Nach einem kurzen historischen Rückblick auf die Entwicklung der Raumfahrt, ging Prof. Dr. Hobe auf wesentliche Merkmale des Weltraumrechts ein, wie z.B. rasches Wachstum der Technologie, militärische Hintergründe der Nutzung des Weltraums und steigende politische sowie strategische Bedeutung.
Ein markanter Meilenstein war die Gründung des Weltraumausschusses UNCOPUOS (UN Committee on the Peaceful Uses of Outer Space) im Jahr 1959. Dieser Ausschuss soll rechtliche Rahmenbedingungen für die friedliche Erforschung und Nutzung des Weltraums erarbeiten und zugleich ein Forum für die internationale Kooperation in der Erforschung des Weltraums erstellen. Der Ausschuss berichtet an die Generalversammlung, welche dann Konventionen oder Resolutionen verabschiedet, die von den Staaten ratifiziert werden können. Dementsprechend verabschiedete die UN-Generalversammlung 1963 die „Erklärung über Rechtsgrundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums“. Von 1967 bis 1979 wurden dann fünf wichtige weltraumrechtliche Konventionen ausgearbeitet und ratifiziert: Der Weltraumvertrag, das Rettungsabkommen, Haftungsabkommen sowie Registrierungsabkommen und der Mondvertrag.
Der am 27. Januar 1967 in Kraft getretene grundlegende Weltraumvertrag enthält insbesondere den Grundsatz der Freiheit der Erforschung und Nutzung des Weltraums, das Verbot nationaler Aneignung und Okkupation (der Weltraum ist staatsfreies Gebiet), das Stationierungsverbot für Massenvernichtungswaffen (im Orbit), Vorgaben zur Kooperation bei Sicherung und Rettung von Raumfahrern und Haftungsregelungen bezüglich Weltraumgegenständen.
Das Haftungsabkommen von 1972 nimmt vor allem die Startstaaten in die Pflicht für verschuldungsabhängige Schäden an anderen Weltraumgegenständen oder anderswo auf der Erdoberfläche. Problematisch ist dabei insbesondere die Definition des „Startstaates“ mit Blick auf die Haftung für die zunehmende Zahl an privaten Akteuren.
Der bisher nur wenig beachtete Mondvertrag könnte künftig, vor allem auch im Hinblick auf die absehbare Nutzung des Mondes als Zwischenbasis für interplanetarische Missionen, enorm an Bedeutung und auch Brisanz gewinnen.
Neben den fünf erwähnten Weltraumverträgen existieren eine Reihe von Instrumenten (Resolutionen, Richtlinien oder Verhaltenskodizes), deren Effektivität allerdings durch ihren nicht verbindlichen Charakter in Frage gestellt ist. Sie können allerdings zur Interpretation der Konzepte und Prinzipien verbindlicher Verträge herangezogen werden.
Mir Blick auf die neuen Aktivitäten im Weltraum ging Prof. Dr. Hobe u.a. auf zunehmende private Aktivitäten (Transportdienste sowie Satelliten-gestützte Kommunikations-/Informations- und Navigationssysteme) ein und erwähnte problematische nationale Planungen zur kommerziellen Gewinnung und Ausbeutung von Ressourcen auf anderen Planeten und Asteroiden. Letztere verletzen teilweise die bestehenden völkerrechtlichen Verträge für den Staatgemeinschaftsraum. Allerdings bestehen auch keine Sanktionsmöglichkeiten.
Ein Problem trat sowohl im Vortrag von Prof. Dr. Hobe als auch in der anschließenden Aussprache besonders hervor, die rasante Zunahme von Weltraummüll (space debris). Um den damit verbundenen, enorm wachsenden Risiken und Gefahren zu begegnen, wird u.a. die Erstellung eines „Space Traffic Managements“ verfolgt. Bereits bestehende Systeme und Programme zur Beobachtung (Space Situational Awareness) geben nur beschränkte Auskunft aufgrund begrenzter Leistungsfähigkeit der verfügbaren Sensorsysteme.
Hinsichtlich der neuen Aktivitäten im Weltraum bereitet das Fehlen umfassender völkerrechtlicher Regelungen zunehmend Probleme. Das trifft vor allem zu für Haftungsfragen, Versicherungs- und Lizenzerfordernisse, Registrierungserfordernisse und Sicherheitsstandards der eingesetzten Systeme. Die Beteiligung von privaten Akteuren an Weltraumaktivitäten ist zwar grundsätzlich zulässig. Staaten müssen die Aktivitäten Privater jedoch genehmigen und überwachen. Dafür ist eine nationalgesetzliche Grundlage erforderlich. Nationale Weltraumgesetze bestehen u.a. in den USA, Russland, Großbritannien und neun weiteren Staaten. Deutschland hat zwar bislang kein nationales Weltraumgesetz, die Bundesregierung hat jedoch zumindest am 4. September des vergangenen Jahres Eckpunkte für ein nationales Weltraumgesetz beschlossen.
Der Referent bewertete in der Aussprache das bisherige Weltraumrecht, das seit 1979 durch keine neuen Verträge ergänzt wurde, für die absehbaren, künftig dynamisch wachsenden Aktivitäten im Weltraum als zu liberal. Er bringt dabei u.a. die Einrichtung eines internationalen Fonds für Umweltschutz und Abfallvermeidung/-Beseitigung im Weltraum ins Gespräch.
In der Aussprache nahm eine Diskussion zu nationalen Zuständigkeiten hinsichtlich der Weltraumnutzung und damit verbundenen Vorstellungen, Plänen und Maßnahmen in Deutschland breiten Raum ein. Unter anderem gab der Stellvertreter des Inspekteurs Cyber- und Informationsraum dazu eine mit breiter Zustimmung aufgenommene aufhellende Erklärung ab. Der Leitende wies in diesem Zusammenhang auf die im April geplante Veranstaltung des Regionalkreises mit dem Kommandeur des Weltraumzentrums der Bundeswehr hin.
Erörtert wurden außerdem die politische Haltung und Beschlüsse der EU-Kommission zum Weltraumrecht.
Der Moderator dankte Prof. Dr. Hobe für seinen Vortrag sowie für seine weiterführenden Auskünfte in der Aussprache. Den Teilnehmern dankte er für Ihre geduldige Aufmerksamkeit und die engagierten Fragen und Kommentare.
Der neue Leiter des Regionalkreises WEST, Oberst a.D. Michael Warter, beendete die Veranstaltung mit einem kurzen Ausblick auf geplante Aktivitäten des Reginalkreises.
Kurt Herrmann
Generalleutnant a.D. und Leitender der Veranstaltung
Bild: Quelle Stabshauptmann a.D. Thielert, Clausewitz-Gesellschaft e.V. – Regionalkreis WEST